Gründerzeit
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden im Zusammenhang mit der deutschen Freiheitsbewegung auch in unserer Heimat zahlreiche Schützenvereine, in denen das traditionelle Schützenwesen vergangener Jahrhunderte neu belebt wurde. Als dann 1827 durch Verfügung des Großherzogs von Oldenburg Holdorf ein selbstständiges Kirchspiel wurde, hatte der Gedanke des Schützenwesens auch in Holdorf Fuß gefasst. So soll der mündlichen Überlieferung zufolge schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in Holdorf auf den Vogel geschossen worden sein. Der Schützenverein Holdorf beruft sich auf diese Tradition und legte 1861 als vermeintliches Gründungsjahr fest.
Dokumentarisch lässt sich die Gründung nicht belegen, da keine schriftlichen Unterlagen vorliegen. Den ersten Hinweis liefert die Teilungskarte der Holdorf- Handorfer Mark aus dem Jahre 1865, die aus der unkultivierten Gemeinheit die Parzelle „Der neue Schützenplatz“ ausweist. Mit großer Sicherheit ist anzunehmen, dass es in den Jahren zuvor bereits einen „alten“ Schützenplatz gab und dass zu dieser Zeit der Schützenverein Holdorf schon im Leben des Dorfes eine bedeutende Rolle innehatte. Weitere Erkenntnisse liegen dem Verein bisher nicht vor. So bleiben das genaue Gründungsjahr und die Namen der Gründungsväter weiterhin unbekannt. Auch über das Holdorfer Schützenleben ist aus diesen Jahren des Anfangs nichts bekannt.
Dies änderte sich mit dem Jahr 1888. Am 25. Januar 1888 richtete der Schützenverein durch seinen stellv. Präsidenten Heinrich Wernke über das Amt Vechta ein Gesuch an die Oldenburgische Staatsregierung und bat um Anerkennung des Vereins als juristische Person.
Dieser Aktenvorgang von 1888/89 war und ist für den Schützenverein Holdorf von großer Bedeutung: Zum ersten Mal zeigen sich die Schützen als wirklicher Verein. Sie haben gültige Statuten, die Mitgliedschaft und Vereinsleben regeln, klar umrissene Strukturen mit Vorstand und Versammlung, deren Rechte und Pflichten umschrieben sind, sie besitzen und verwalten ein Vermögen mit Grundbesitz (Schützenplatz), Bausubstanz (Hallen, Schießstand) und Inventarien. Überliefert sind die Namen der 41 Mitglieder des Vereins, die allesamt aus der Bauernschaft Holdorf stammten, und die Namen des Vorstands mit Hermann Bergmann, Heinrich Wernke, Heinrich Nienaber, Bernard Hilgefort und Heinrich Drühe.
Sinn und Zweck dieser aus Eingesessenen der Gemeinde Holdorf gebildeten Gesellschaft sollte es sein, sich im Gebrauche der Schießwaffen zu üben, das Interesse für die Schießkunst zu beleben und eine allgemeine patriotische Gesinnung zu hegen und zu fördern.
Die Abschrift der Erteilung der Rechte einer juristischen Person durch den Amtshauptmann Ramsauer, Vechta, vom 16. Februar 1889 ist neben den Statuten das älteste Dokument des Vereins. Das Datum dieses Aktenvorgangs wurde lange Zeit als das Gründungsjahr des Schützenvereins betrachtet.
Das wertvollste Andenken an die Gründerjahre ist die Königskette aus dem Jahr 1889, mit der bisher jeder König inthronisiert wurde. Die Namen von 109 Monarchen sind verzeichnet, unter ihnen die Großherzöge Nikolaus Friedrich Peter (1898) und Friedrich August (1910).
Ein tatkräftiger Vorstand legte den Grundstein für eine stetige Fortentwicklung des Vereins. Der Schützenverein gewann an Ansehen und Beliebtheit im Dorf. Steigende Mitgliederzahlen verdeutlichen es: 1894 hatte der Verein 58 Mitglieder, 1899 waren es bereits 94, erstmals in drei Kompanien unterteilt Die Schützenfeste wurden nun zu Volksfesten des gesamten Ortes. Auch die Jugend wurde schon früh mit der Schützentradition vertraut gemacht. Am Schützenfestsonntag gab es eine Kinderbelustigung mit kleinen Wettspielen und Preisen, und die Jungen kämpften um die Ehre des Kinderschützenkönigs und um Schießpreise.
Den vorläufigen Höhepunkt in der jungen Vereinsgeschichte bildete der 26. Juni 1898. Der Schützenverein Holdorf trug seinem Regenten, dem Großherzog Nikolaus Friedrich Peter, die Würde eines Schützenkönigs von Holdorf an. Der Fürst nahm dankend an. Groß war der Jubel in Holdorf. In Dankbarkeit über die Treue und Zuneigung seiner Untertanen schenkte er dem Verein ein reich verziertes kostbares Gewehr. Dieses fürstliche Geschenk wurde fortan in jedem Schützenfestumzug mitgeführt und von einem Schützen stolz der Öffentlichkeit präsentiert. Die Schützen gaben dem Gewehr den Namen „Der Großherzog“. Leider ging es 1945 verloren.
Neues aus dem Vereinsleben erfahren wir erst wieder aus dem Jahr 1910. Die Oldenburgische Volkszeitung berichtet mit Datum vom 29. Mai 1910, dass der Verein beschlossen habe, eine neue Fahne anzuschaffen. Den Grund kennen wir nicht, auch ist unbekannt, was mit der alten Fahne geschah. Die feierliche Übergabe der Fahne, die sogenannte Fahnenweihe, sollte auf dem Schützenfest gefeiert werden. Der Pressemitteilung nach war es ein glänzendes Fest, das die Holdorfer Schützen zusammen mit den zahlreich erschienenen Schützen aus den Nachbarvereinen feierten. Und passend zu dieser Festfreude geschah es, dass der Verein Seine Königliche Hoheit, Großherzog Friedrich August, um die Ehre bat, die Schützenkönigswürde anzunehmen. Der Fürst nahm dankend an; ein insgeheim erhofftes fürstliches Geschenk blieb leider aus.
Im folgenden Jahr 1911 grassierte in vielen Gemeinden des Fürstentums die Maul- und Klauenseuche. Um die Gefahr der Übertragung der Seuche zu mindern, untersagte das Großherzogliche Amt Vechta die Durchführung des Schützenfestes in Holdorf am 21. u. 22. Mai. Die Schützen wollten spontan auf das Schützenfest nicht verzichten und machten am Himmelfahrtag einen Ausflug nach Wehdel zum dortigen Schützenfest. Nach Abklingen der Seuche wurde aber am 6. u. 7. August auch in Holdorf gefeiert.
Das Schützenfest im Jahr 1914 sollte am 7. u. 8. Juni als Jubelschützenfest zum 25jährigen Bestehen des Vereins gefeiert werden. Der Eifer beim Ausschmücken des Dorfes war besonders groß, denn den Gastvereinen wollte man einen würdigen Empfang bereiten. Die Nachricht, dass Großherzog Friedrich August mit dem Erbgroßherzog und einem großen Gefolge am Sonntag nach der Einweihung des Eisenbahner-Erholungsheims in Damme auch durch Holdorf fahren werde, spornte den Eifer an. Der Ort war festlich geschmückt, die Schützen aus Holdorf und aus den Gastvereinen waren angetreten und begrüßten mit Jubelrufen die Durchreisenden. Alle waren stolz, dass der Landesherr, Seine Königliche Hoheit Großherzog Friedrich August, dem Schützenfest einen solchen Glanz verlieh.